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Leser als Autor

20.Nov.2000, Mo

Erinnerungen eines mittelmäßigen Schülers der Hermann Ehlers Schule
(1955 und später).

Hallo aus den USA an die Hermann Ehlers Schule, die 3.OWZ (Oberschule Wissenschaftlichen Zweiges in den späten 50gern). (Ich machte dann ein Praktikum und den Ingenieur bei Gauß, uff'm Wedding).

Bin gerade über Eure Web Seite gestolpert...hatte einige Sachen in Deutschland auf dem Internet erkundet und bin in Steglitz gelandet, u.a. beim Jahrbuch. Las dann den Artikel vom Jugendheim, ich war einer der "Twangy Gang" Mitglieder, zusammen mit Dietmar Wettstein, unserem Band-Leader, Joachim "Hübi" Hübner, Joachim Prösch, später kam dann noch Klaus Auritz mit dazu. Er hatte eine Stimme wie Cliff Richard und wir spielten viele Songs vom Cliff und den Shadows.

Mein Name ist Rolf-Dieter Seichter, mein Vater Eberhard Seichter, hat auch sein Abitur in der (damals) Elisen- Schule gemacht (mit allen Auszeichnungen, das war dann später ein dickes Problem für mich). Vater Eberhard ist nach wie vor in Berlin.  81 und quicklebendig, die Mädchen stellen ihm immer noch nach, diese Mädchen sind aber auch bereits etwas älter, aber sehr attraktiv...

Ich bin seit 1976 hier in der Nähe von Boston, Massachusetts, sehr erfolgreich in der High-Tech Industrie und bin im Dezember zu Sylvester mit Familie mal wieder in der alten Heimat in Berlin.



Jetzt kommt aber der Nostalgie Flash... aufpassen , wir sprechen über die späten 50ziger Jahre! Meine Lehrer waren, u.a. Dr. Rohde (er hat immer vom 1.sten (nicht 2ten) Weltkrieg erzählt, er war super). Bin bei ihm mal beim Abschreiben erwischt worden. Da war aber was los zu Hause als der Brief kam. Ich hatte dicke Probleme mit Aufsätzen bei Dr. Rohde. Auch später, die reine Katastrophe.  Rechtschreibung war immer eine "1" oder sogar besser, Aufsatz war "5" , Thema verfehlt. Das war dann auch der "Killer" in der 8. Klasse. Sitzengeblieben! Meine Eltern verstanden die Welt nicht mehr. Ich auch nicht, aber das Schulleben bei Hermann Ehlers ging weiter.

Es wurde es sogar schlimmer. Frau Dr. Masur wurde meine Deutsch- und Klassenlehrerin. Sie liebte Conrad Ferdinand Meyer, ich kenne heute noch die Seiten im Reclam-Heft, immer am Innsbrucker Platz gekauft. Eines der kleinen Bücher: Gustav Adolf's Page, ein Klassiker, habe ich auch in Berlin im Theater gesehen. Frau Dr. Masur zeichnete sich immer durch "oft getragene Kleidung" aus, Trocken-Reinigung von Garderobe war damals schon teuer!   

Das Nervenbündel Zum Seitenanfang

Dr. Winter, Physik, er war einfach einsame Klasse. Wir hatten auch Sport bei ihm und er war sooo begeistert, daß die damalige Turnhalle (Neubau nach dem Krieg) einen Schwing-Fußboden bekam. Ich glaube, daß seine Begeisterung für das Wissenschaftliche auf mich gut gewirkt hat, daher der Ingenieur. Ich hatte eine "1" in Physik für zwei Jahre bei Dr. Winter. Dann kam der Hammer:  Dr. Matthess (glaube ich war sein Name) wurde mein Physikehrer und ich bekam eine "4" in Physik. Bis heute nicht verstanden, wie man in einen Semester um 3 Noten absacken kann. Ganz zu schweigen von meinen Eltern, und speziell meinem Vater, der die halbe Lehrermannschaft von früher kannte. Wie sagte Heinz Nixdorf:  "Im Schatten einer starken Eiche wächst nie eine gute, neue, starke Eiche".

Dann Dr. Tietze, Mathe, eine totale Null, ein Nerven-Wrack!  Ich glaube, ich hielt den Rekord in Tadeln und Arreststunden während seines Unterrichts, mußte aber nie nachsitzen. Sein Mathe war gut, bis heute nichts vergessen. Meine drei Söhne können ein Lied davon singen, sie wurden in Mathe fast täglich hier in den 90ern getestet. Einige von ihren Lehren habe ich auch auf die Probe gestellt: Tietze hat überlebt.

Ich sehe immer noch die Farbe von den "blauen Briefen", die von Hermann Ehlers geschickt wurden, speziell von Dr. Tietze. Der konnte einfach meine Leistungen nicht für gut (oder besser) beurteilen. Oft kam ich dann von der Schule nach Hause (nicht mit einem Auto wie die heutigen Studenten, sondern mit dem Fahrrad, eigens erworben). Meine Mutter sprach: "Da ist wieder ein blauer Brief gekommen, dein Vater wird sehr böse darüber sein".  Ich aber wußte den Inhalt schon immer 3 Tage früher, hatte aber immer die Einstellung der Verzögerungstaktik den Eltern gegenüber. Oft hatte ich der Edith (meiner Mutter, einer liebenden Mutter, Super Frau), schon mal Vorwarnung gegeben. Das half immer. Der Abend, die Standpauke, wenn Eberhard Seichter nach Hause kam,  war das dann nicht mehr so schlimm.  Edith, als Super-Ehefrau und als "beschützende Mutter", verstand die Taktiken.  Schlimm wurde es nur, wenn mein Vater dann, aufgrund schulischer Ereignisse, die (Fender Stratocaster Gitarre ) einkassierte oder beschlagnahmte. Dann war die "K...... am Dampfen", denn dann konnten wir als "Twangy Gang" nur behindert Musik machen. Vater Eberhard wußte aber bis heute nicht, daß eine zweite (elektrische) Gitarre existierte.

Auf "Fräulein" hat sie Wert gelegt Zum Seitenanfang

Eine weitere Erinnerung: Fräulein (sie bestand wirklich auf Fräulein) Basche, Biologie und Chemie. Sie würde es kaum glauben, daß ich heute Hobby-Gärtner bin, Gemüse und Blumen anbauen, viele Bio Bücher lese. Internet ist so einfach mit allen Such-Maschinen. Warum war das Internet nicht zu meiner Zeit schon da, Fräulein Basche?
Fräulein Basches favorisierte Pflanze war der Ackerschachtelhalm. Stunden und Stunden hörten wir über den Ackerschachtelhalm.  Der wächst als Unkraut auch hier und ich muß immer an sie denken, wenn ich einen Ackerschachtelhalm aus der Erde ziehe. Sorry, Fräulein Basche!!  Ich weiß noch, daß ich einmal eine Bemerkung im Chemieunterricht gemacht habe, die nicht sehr angebracht war: "Kiekt 'mal Kinder, Fräulein Basche ist schwanger". Diese Bemerkung tut mit noch heute leid!  Alle hatten gelacht, ich bekam wieder 'mal einen Tadel.

Dann war da auch noch Frau Dr. Heinrich , Geschichte und Englisch. Damals bereits etwa 60 Jahre alt und von kleiner Natur. Um die Größe etwas zu verbessern trug sie immer Stiefel-Schnürschuhe mit hohem Absatz, daher war ihr Spitzname " Oma Duck". In jeder Geschichtsstunde wurden von ihr in den ersten 1o Minuten Jahreszahlen abgefragt, z.B. wann war die Krönung von Karl d. Großen usw. Man wußte nie, wen sie fragen wird, ducken oder wegsehen hatten keinen Zweck. Irgendwann schlug das Unheil dann zu und sie notierte das in ihrem Büchlein, mit + oder -. Frau Dr. Heinrich hatte eine sehr kurze Sicherung und ein Ereignis werde ich nicht vergessen: Einer meiner Klassenkameraden hatte einen Ping-Pong Ball im Unterricht und ließ diesen auf dem (harten) Fußboden tippen. Sie rannte auf diesen Ball zu, und versuchte diesen zu zertreten. Der Ball verfing sich aber zwischen ihrem Schuhabsatz und der Sohle, blieb dort stecken. Frau Dr. Heinrich raffte das aber nicht und fing an den Ball, der nach wie vor in ihrem Absatz steckte, mit den entsprechenden Bemerkungen unter den Tischen zu suchen. Haben wir gelacht, Situationskomik hoch drei!

Der singt ja, als ob er Bauchschmerzen hat Zum Seitenanfang

Englisch bei ihr war auch hart, reine Fleißarbeit. Das mit dem Fleiß, Hausarbeiten und Einsatz hatte ich damals noch nicht so drauf. Die Zensuren schwankten wie der Baum im Wind, die Bandbreite von "Sehr Gut" bis "Mangelhaft" wurde voll bewältigt. Mein Vater hatte dann eine – für ihn gesehen– gute Idee: Ich mußte jeden Tag 10 Sätze in English und Französisch schreiben, auf Papier, abends mußte das Papier vorgelegt werden. Heute, zurückblickend, bin ich froh, daß mein Vater damals schon wußte, daß ich eines Tages in den USA sein werde…

Frau Dr. Herzog als Klassenlehrerin und in Mathe. Gleichungen mit mehreren Unbekannten, Potenz-Rechnung, Logarithmen, Geometrie, Pythagoras, alles kam dran im Laufe der Zeit. Hatte großen Spaß in Mathe und ich habe viel gelernt. Nur mit den Hausarbeiten war immer ein Problem, ich hörte lieber die Schlager der Woche, mit Fred Ignor, und den letzten Hit von Elvis. Meine Mutter konnte den Kerl nicht ausstehen: "Der singt ja, als ob er Bauchschmerzen hat." Ich durfte ja nie meine Schularbeiten mit laufendem Radio machen. Daher habe ich dann das Radio (so eines mit dem "Magischen Auge") den Schulabeiten vorgezogen.

In meiner Klasse war auch Willi Kuhweide, damals Segler, und er gewann eine Olympia Medaille! Von da an brauchte er nicht mehr die Schularbeiten zu machen. Er bekam auch immer frei, wenn eine Regatta stattfand. Mit ihm und Dietrich Wittmer bin ich beim Rauchen (auf der Toilette) erwischt worden,  wieder ein Tadel. Wir waren auch mit der Klasse (Klassenreise) im Spessart. Es existieren Bilder von Willi und mir, er am Akkordeon und ich an der Gitarre. Mit Horst "Mohrchen" Radtke als Klassenkamerad daneben. Leider ist er in seinen 20zigern an Krebs gestorben.  

Und dann Musik: Thilo Cornelissen, Dr., wollte mich immer zum Chor zwingen und auch meine Gitarren Kenntnisse beim Elterntreffen präsentieren. Er war ja auch Leiter der VMHS (Volksmusikhochschule) in Steglitz. Er wußte, daß ich mit meiner Gitarre auch Rock 'n Roll produzieren konnte. Ich war damals schon mit einer Band zugange (Twangy Gang, spielten  oft im Albert Schweitzer Heim im Stadtpark) und hatte einfach keine Zeit. So bekam ich eine "4" in Musik. Habe ich bis heute nicht verstanden...

Dann erinnere ich mich an Frau Anita von Ramm, meine Französisch Lehrerin. Das war eine Klasse Frau, sie sah einfach toll aus, ich war immer hin und her gerissen von ihrer Mode und ihrem Auftreten.

Kunst hatte ich bei Dr. Mecke (so auch mein Vater). Dr. Mecke hatte damals immer "Budapester" Schuhe, hier in den USA heißen die "Wing Tips", getragen von konservativen Leuten. In seinem Kunst Unterricht mußte ich u.a. ein Segelboot aus Holz bauen. Einen Holtzklotz regelrecht mit einem kleinen Rund-Hobel ausschachten. Das Projekt war, von hier aus gesehen,  nicht sehr erfolgreich. Dr. Mecke hätte vielleicht einen Lötkolben und Metallscheiben haben sollen, dann hätte ich Spaß gehabt.

Ich hatte zu dieser Zeit schon von Radio Rim meinen ersten Radio Bastelkasten, gekauft vom Einsegnungsgeld. Dr. Mecke sagte mir immer (leise, ohne daß die anderen es hören konnten):  "Seichter, Dein Vater war ein wesentlich begabterer und besserer Schüler als du". Aber Dr. Mecke gab mir Tips, speziell in welchen Fächern ich aufpassen sollte. Mein Vater hatte die Ziele wirklich sehr hoch gesteckt.  Davon habe ich aber gelernt und Gleiches mit meinen Kindern gemacht. Der Erfolg: Alle haben (das amerikanische) Abitur.  Der mittlere Sohn (man kann ihn eine Kopie vom Eberhard Seichter nennen), war sogar die "Nummer 1" in der Klasse, auch Klassensprecher, Sportler, und er ist Mama's Liebling.

Ich bin dann in der 11. Klasse, nach der "Mittleren Reife", abgegangen (worden), habe bei Gaußen's studiert, danke Dr. Winter. Ich kann beruflich und privat in keiner Weise klagen. Gute Schule und Ausbildung macht eben den Unterschied, nicht wahr?

Wir wohnen hier seit 1976 in Tewksbury, MA, wir haben auch eine Web Seite unserer Stadt  (Heimatkunde, da war ich immer gut):

www.tewksbury.com

Gruß in die Heimat, speziell nach Steglitz. Ich wünschte, ich könnte eine Kopie eines alten Klassenbuches bekommen, in dem ich mit meinen Eintragungen verewigt bin, speziell die guten Eintragungen in Physik, unter / bei Dr. Winter.

Liebe Grüsse, Rolf-Dieter S.


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